Stückgut im Jahr 2022: Stephan Opel im Interview
In den letzten Jahren scheint eine Krise nach der nächsten die Logistik auf die Probe zu stellen. Auch 2022 reißt die Serie von Ausnahmesituationen nicht ab. Stephan Opel, Geschäftsführer der System Alliance Netzwerk GmbH, im Gespräch über Herausforderungen, Chancen und die Ziele der Kooperation sowie des deutschen Stückgutmarkts.
Herr Opel, wie haben Sie als Geschäftsführer einer der größten deutschen Stückgutkooperationen 2022 bis jetzt wahrgenommen?
Das laufende Jahr stellt uns bereits jetzt vor ähnliche Herausforderungen wie 2021, bringt aber noch zusätzliche mit sich. Aktuell sind das sowohl krankheitsbedingte Ausfälle, die den allgemeinen Personalmangel verschärfen, als auch extreme Marktvolatilitäten, welche nicht zuletzt durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine bedingt sind. Jeder weitere Tag Krieg tut uns weh und treibt die Inflation.
Wie reagiert die System Alliance und im Besonderen das Netzwerk auf diese Herausforderungen?
Unser Fokus liegt im Moment auf einem noch engeren Austausch zwischen Systemzentrale und unseren Partnerbetrieben. Besonders die Themen Netzwerksteuerung und Mengensimulation haben in unserem Hause oberste Priorität und werden mit einem sehr hohen Tempo weiterentwickelt. Aber nicht alles ist negativ: Langsam und vorsichtig kehren unsere Kolleginnen und Kollegen wieder in die Büros zurück. Die Menschen müssen sich sehen, kommunizieren und Ideen austauschen – es gibt Dinge, die kann man nur persönlich besprechen. Trotz der voranschreitenden digitalen Kommunikationsmöglichkeiten freue ich mich, dass man sich wieder in der Kaffeeküche sowie „zwischen Tür und Angel” begegnet.
Wie sieht der enge Austausch mit den Speditionsbetrieben in einem deutschlandweit agierenden Netzwerk aus?
Indem wir die Netzwerksteuerung ausbauen, entlasten und unterstützen wir unsere Speditionsbetriebe zukünftig stark in den operativen Prozessen. Zudem setzen wir auf IT-Landschaften, die wir stetig weiterentwickeln. Dazu werden auch optimierte Datenbanken gehören; der einfache, qualitativ hochwertige Datenaustausch ist in der heutigen Zeit unabdingbar. Um die innovativen Lösungen effizient implementieren zu können, kommt es aber auch auf jeden Einzelnen vor Ort an. Deshalb führen wir Schulungen durch und setzen viele Themen gemeinsam mit unseren Partnerbetrieben um. Wichtig ist eine gute und offene Feedback-Kultur, nur dann können wir als Stückgutkooperation unseren Kunden und Kundinnen hervorragende Leistungen anbieten, das heißt, im Netzwerk müssen alle Beteiligten Hand in Hand zusammenarbeiten.
Sind Netzwerksteuerung und Mengensimulation in solch ungewissen Zeiten überhaupt möglich?
Natürlich, aber die Entwicklungsarbeit, welche dahintersteckt, ist enorm. Klar: Wir alle wurden das erste Mal mit einer solchen Situation konfrontiert. Ganz Europa ist flächendeckend vom Krieg in der Ukraine betroffen. Spediteure und Logistiker sind darüber hinaus nicht nur von ihren Kunden, sondern auch von den Lieferanten abhängig. Diese Themen stören die Mengensimulation erheblich, doch gerade in solchen Zeiten ist es wichtiger denn je, das Netzwerk datengestützt auf mögliche Szenarien vorzubereiten – nicht reaktiv, sondern proaktiv.
Tatsächlich sind wir alles in allem froh, dass die Sendungen dieses Jahr nicht im prognostizierten Maße gestiegen sind, denn den Netzwerken und Betrieben fehlen schlichtweg die Ressourcen, um Rekordmengen wie im letzten Frühjahr dauerhaft stemmen zu können. Stattdessen stabilisieren sich die Mengen im Moment.
Welche Learnings ergeben sich für Sie aus dem ersten Halbjahr 2022?
2022 macht deutlich, was wir schon lange erahnt haben: Die Supply Chain-Agility muss völlig neu aufgebaut werden. Im ersten Schritt müssen diverse Transportwege deutlich verkürzt werden, um stabilere Lieferketten zu schaffen. Die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung wird man nicht zurückdrehen können, trotzdem muss man sich fragen: Wie müssen Transportwege und Lieferketten zukünftig dargestellt werden? Unserer Ansicht nach sollte es nie nur einen Hauptlieferanten geben. Und es bestehen durchaus Möglichkeiten, Lieferanten näher an den Absatzmärkten zu generieren.
Die Logistik ist in diesem Zusammenhang eigentlich nur Mittel zum Zweck, sie stellt eine Querschnittsfunktion der gesamten Industrie dar. Wir müssen an neuen Lösungen arbeiten und auch altbewährte Strukturen zum Teil rigoros verändern. Auf Dauer kann die Logistik die aktuellen Rahmenbedingungen nicht schultern.
Und welche Maßnahmen hat die System Alliance ganz konkret ergriffen?
In den letzten Monaten mussten wir stets agil bleiben, mehr denn je. Die System Alliance verstehe ich persönlich als lebenden Organismus; nichts kann und darf in Stein gemeißelt werden. Um unsere Partner und Speditionsbetriebe schnell und effektiv unterstützen zu können, verzichten wir deshalb auf administratives Theater und setzen stattdessen auf direkte Hilfe, zum Beispiel hinsichtlich der Dieselfloater und der damit einhergehenden Ausgleichszahlungen. Letztendlich geht es um nichts Geringeres als das Weiterbestehen zahlreicher Mittelständler und den Erhalt der Versorgung. Daher sind für uns die Weiterentwicklung der Netzwerksteuerung und der Mengensimulationen von elementarer Bedeutung.
Welches Zielbild haben Sie für 2022?
Das halbe Jahr ist fast vorbei, und es ist immer noch schwer zu planen. Die nächsten Monate werden weitere Schwierigkeiten mit sich bringen, keine Frage. Mein Wunsch ist es jetzt, wirtschaftlich gut durch das Jahr zu kommen, unsere Themen nach vorne zu treiben und die Stellung der Logistik in der Gesellschaft zu verbessern. Nicht nur der Bekanntheitsgrad muss gesteigert werden, sondern die Anerkennung für unseren systemrelevanten Wirtschaftsbereich.
Und welche Maßnahmen hat die System Alliance ganz konkret ergriffen?
In den letzten Monaten mussten wir stets agil bleiben, mehr denn je. Die System Alliance verstehe ich persönlich als lebenden Organismus; nichts kann und darf in Stein gemeißelt werden. Um unsere Partner und Speditionsbetriebe schnell und effektiv unterstützen zu können, verzichten wir deshalb auf administratives Theater und setzen stattdessen auf direkte Hilfe, zum Beispiel hinsichtlich der Dieselfloater und der damit einhergehenden Ausgleichszahlungen. Letztendlich geht es um nichts Geringeres als das Weiterbestehen zahlreicher Mittelständler und den Erhalt der Versorgung. Daher sind für uns die Weiterentwicklung der Netzwerksteuerung und der Mengensimulationen von elementarer Bedeutung.